Die zeitgemäße Unternehmensführung hat es längst erkannt: Nicht alles lässt sich über definierte Strukturen und Prozesse steuern. Am allerwenigsten gilt dies für das Engagement der Kollegen….

Für Experten und fachlichen Stäbe von Qualität, Schutz und Sicherheit macht dies die Praxis nicht leichter, wie folgende Stimmen aus der Praxis zeigen.

Tango auf dünnem Eis – Stimmen aus der Stabs-Praxis

Zunächst ein Post, der kürzlich in einer QM-Fachgruppe veröffentlicht wurde:
(Nochmal herzlichen Dank für die Erlaubnis, ihn hier zu verwenden!)

  1. „(…) Das Interesse meiner Kollegen zu Themen wie Verbesserung, Rechts- und Normkonformität und Fehlervermeidung ist etwas schwierig.
    Ich werde leider nicht immer für voll genommen und auch belächelt.
    Wie kann ich es sinnvoll angehen, meine Kollegen hier zu sensibilisieren?“

Ein weiteres Thema scheint viele Beauftragte und Stabstellen unabhängig vom fachlichen Schwerpunkt zu beschäftigen und zu belasten:

  1. Viele meiner Kunden/Innen zeigen sehr viel Einsatz – bis hin zur Überforderung!
    Nicht selten fühlen sie sich als „Einzelkämpfer“ – haben quasi “Verantwortung für alles“…. Ein ewiger Kampf gegen Windmühlen und keine Windstille in Sicht…

Die zeitgemäße Unternehmensführung hat es längst erkannt: Nicht alles lässt sich über definierte Strukturen und Prozesse steuern. Am allerwenigsten gilt dies für das Engagement der Kollegen….

Ein Blick hinter die Fassade: Worum geht´s hier wirklich?

Im oberen Beispiel (1) geht´s um 2 „große“ Fragen:

  1. Interesse und Akzeptanz für die „heißen Themen“ und Ziele der Managementsysteme schaffen (sensibilisieren) und
  2. als Experte wahr- und ernst genommen werden.

Das eine hängt mit dem anderen unweigerlich zusammen! Ich vermute, der ratsuchende Experte fühlt sich nicht verstanden und ernst genommen in seiner Funktion. Scheinbar ist den Kollegen nicht klar, welche Aufgaben er hat und wo und wie er hilfreich und nützlich sein kann.
Unter diesen Umständen ist es für ihn natürlich auch nicht einfach, den relevanten Themen Gehör zu verschaffen…. Aber: Ist das eigentlich SEIN Job?

Das zweite Beispiel (2) spiegelt Überforderung wider. „Verantwortung für alles“ erwächst schnell aus unklarer Aufgabenteilung und Zusammenarbeit und löst Unsicherheit aus. Und das macht Stress! Denn ich kann nie sicher sein, dass ich die Anforderungen und Kriterien kennen, an denen ich gemessen werden. So wird die potenzielle Angriffsfläche für Scheitern, „Fehler“, Unmut und Kritik unkalkulierbar groß: Weder mir noch meinem Umfeld ist klar, wann ich einen guten Job mache. Schade, denn Erfolgserlebnisse sind Treib- und Leuchtstoff des Arbeitsalltags….

Organigramme und Funktionsbeschreibung reichen hier also nicht aus, die notwendige Orientierung zu geben. Viele Fach- und Stabskollegen agieren deshalb auf unsicherem Grund…

Was also tun?

Warum Aufgaben und Kästchen nur der Rahmen sind

Zugegeben: Das Aufgabenfeld der betriebliche Experten ist breit, z.B.:

  • Geltendes Recht im Blick behalten und filtern
  • Neue (Kunden-)Anforderungen „übersetzen“ und in´s Unternehmen tragen
  • Dafür sorgen/Unterstützen, dass Diese sinnvoll und wirksam umgesetzt werden.
  • schulen, unterweisen, informieren
  • Meetings planen und durchführen
  • organisationale Planungen und Neuerungen fachlich begleiten (z.B. Genehmigungsverfahren)
  • a.m.

All diese Aufgaben lassen sich unmöglich allein zu bewältigen! Wie für alle wichtigen betrieblichen Ziele gilt auch für hochkarätige Schutz- und Sicherheitsziele (Qualität gehört für mich dazu!): Sie werden im „System Unternehmen“ nur gemeinsam erreicht.

Wie Aufgaben und Pflichten in der Zusammenarbeit genau aufgeteilt werden und wer dabei welchen Anteil in welcher Weise erledigt, darf allerdings nicht in Stein gemeißelt sein. Denn im realen Alltag kann sich schnell mal etwas ändern – je nachdem wer mit wem unter welchen Bedingungen zu tun hat.

Diesen unseligen Zusammenhang haben auch unsere Managementsystem-Normen inzwischen erkannt und legen nahe, dem Thema „Rolle“ mehr Beachtung zu schenken (z.B. DIN ISO 9001:2015, 5.3).  Und das macht wirklich Sinn!

Wozu Rollen gut sind oder: In welchem Theater spiele ich heute?

Im Gegensatz zur Position (z.B. Stab oder Linien-Führungskraft im Organigramm) und der erwähnten Funktion (in der Funktions-/Aufgabenbeschreibung) ist die Rolle dynamisch und flexibel.

Rollen werden in der Zusammenarbeit inszeniert. Sie sind flexibel und leiten sich ab aus den Verhaltenserwartungen anderer und wie ich diesen begegne. Nicht immer passt das Ergebnis zu den offiziell beschriebenen Positionen und Funktionen…

Die Erwartungen sind frei…

Jede Fachkraft (und jeder Berater…) hat schon einmal die Erfahrung gemacht, dass die eigene Einschätzung des Aufgabenfeldes nicht zwangsläufig übereinstimmt mit der Einschätzung der Kollegen. Zum Beispiel kann sich die individuelle Erwartung an eine Fachkraft von verschiedenen Führungskräften unterschiedlicher Bereiche deutlich unterscheiden: Was die eine Führungskraft an Unterstützung von ihrem internen Berater erwartet, macht die andere mal eben selbst…

Die erwünschten Leistungen sind allerdings nicht nur ganz „persönlich“, sondern können sich auch durch Umfeld und Situation ändern. Beispielsweise kann eine Führungskraft ausnahmsweise ihren Stabskollegen bitten: „Heute sind drei Kollegen krank und ich muss noch die Budgetplanung für die Vorstandsrunde vorbereiten, deshalb schick mir einfach deinen Vorschlag für unseren Nachbesserungs-Prozess und ich unterschreibe…“.

Verhängnisvolle Reaktionsmuster

Werden Erwartungen geäußert, lösen sie oft „automatisch“ bestimmte anerzogene Verhaltens-Muster aus:

Beispiele dafür sind die sogenannten „inneren Antreiber“:  „sei perfekt“ oder „mach es allen Recht“ (hierzu der BLOG-Beitrag: Zeitnot selbstgekocht? – Wenn das NEIN zur Herausforderung wird…).

Auch schlüpfen wir schnell und gern in unsere Alltags- oder Lieblings-Rollen, ohne dies bewusst zu steuern: Beispielsweise weckt kindliche Hilflosigkeit schnell die fürsorgliche „Mutter“ oder den hilfsbereiten „Freund“. Beide unterstützen gern, am besten gleich durch Ab- und Übernahme der quälenden Herausforderung.
Will ich als fachlicher Unterstützer oder Führungskraft allerdings Selbstständigkeit und Lernen fördern, spiele ich besser den sportlichen „Coach“, stelle Fragen, empfehle qualifizierte Kollegen oder Informationsquellen. – ganz bewusst.

Über Zusammenarbeit verhandeln

Nicht jede Erwartung muss und kann erfüllt werden! Aus diesem Grunde finden tagtäglich auch „Verhandlungen“ darüber statt. Hier habe ich als Fachkraft die Chance, zu klären und zu entscheiden, welche Rollen“angebote“ oder Verhaltenserwartungen ich akzeptiere und unter welchen Bedingungen.

Genau dafür fehlt allerdings oft der klare Standpunkt – das sichere und verlässliche Fundament. Schließlich braucht jede Verhandlung eine klare Ausgangsposition mit dem Wissen um die Spielräume und die Unterstützer.

Zur „Verortung“ helfen Fragen, wie:

  • Was soll/muss ich?
  • Welche „Kräfte“ kann ich nutzen?
  • Welche zusätzliche Unterstützung brauche ich?

Und auch 

  • Was will ich?

So klärt sich auch so manche innere Unstimmigkeit. Erst dann kann ich klar und entschieden in die Verhandlung gehen, im Zweifel auch einmal „NEIN“ sagen. Oder ich kann einen sinnvolleren, alternativen Weg vorschlagen und mit fundierten Argumenten überzeugen.

Praxis schlägt Theorie

Bei alledem ist allerdings nicht die Theorie ausschlaggebend. Der Maßstab ist die gelebte Praxis und das tatsächliche Tun!! Habe ich einmal jenseits der vereinbarten Aufgabenteilung Zugeständnisse gemacht, kann es leicht geschehen, dass diese wieder eingefordert werden – einerlei was eigentlich in der Aufgabenbeschreibung steht oder von Normen und Gesetzen gefordert ist….

Viele Stabsexperten (und nicht nur diese) geraten schnell in die „Ausnahmsweise-Falle“, die dann nur allzu gern zur Routine wird!

Fazit – und nun?

Eine durchdachte Standortbestimmung/ Positionierung verhilft zu mehr Klarheit beim nächsten überraschenden Verhandlungsmatch. Denn jedes Ergebnis hat Konsequenzen auf Ihre Wirksamkeit und damit auch die Ihres Managementsystems.

Möchtest du weiterdenken?

Dann hol dir –> hier in der Mediathek als barrierefreien Download einen kleinen Positionierungstest: “Wer bist du und wenn ja, wie viele! (Kleiner Test zur Standortbestimmung)”.

Übrigens: Auch das DGQ-Impulspapier “Voll von der Rolle?” findest du hier…

Einen ausführlicheren Reflexions-Prozess unterstützt mein “Selbstcoaching Guide Rollenklarheit” mit konkreten Fragen und Hinweisen. Den gibt´s (im Tausch gegen deine Mailadresse) –> hier

 

.

Links & Verweise

Mehr zu Rollen & Co. in Kap. 4.2  Wer muss, wer darf führen?

(Link zum pdf-Auszug mit Inhaltsverzeichnis auf der Seite des Verlages)