„Es ist echt schwer, Fragen zu stellen, wenn man die Lösung schon kennt!“

hörte ich letzte Woche einen auditierenden Kollegen nach einem Audit sagen. Ja, das kam mir bekannt vor!

Wir Berater, Beauftragte, Fachkräfte und Auditoren sind halt von Natur eher „Sager“ als „Frager“. Wir sind Experten in unserem Fachgebiet, beobachten, bewerten, beraten. Das ist unser Job – als hochqualifizierte „Besserwisser“. (Ja, ich auch 😉)

WIE wir allerdings dieses Mehrwissen in´s Unternehmen und seine Umsetzungsmechanik tragen, steht weder im Ausbildungsplan noch in der Stellenbeschreibung. Nicht selten kommt dieses Mehr-Wissen ungebeten herausgeschossen, dazu ein wenig von „oben herab“ und belehrend daher – wenn auch gutgemeint und hoch-qualifiziert. Entsprechend sind die Reaktionen… Wer lässt sich schon gern verbessern? Sind wir etwa nicht gut (genug)?

Ein Buch mit wunderbaren Impulsen

Wahrscheinlich aus diesem Grund hat mich das Buch, dass ich hier vorstellen möchte – so angesprochen. Es ist die ultimative Arznei gegen qualifizierte Bevormundung, die oft nicht nur demotiviert, sondern auch am (Mit-)Machen und Lernen hindert…

Inzwischen lese ich manche Abschnitte zum dritten, vierten (…) Mal und fühle mich jedes Mal wieder aufs Neue angesprochen, inspiriert und ermutigt.

Für wen interessant?

  • Fachliche Stäbe/Beauftragte, die ihrer Rolle als Einzelkämpfer müde sind und nach Möglichkeiten suchen, die Verantwortung dort zu platzieren – wo sie werken und wirken soll
  • Führungskräfte/Teamleiter, die sich von den Mitarbeitern oder Kollegen mehr Engagement, Beteiligung, Verantwortungsübernahme wünschen
  • Auditoren, die Eigenverantwortung und Selbstorganisation fördern und damit den auditierten Teams und Bereichen das Selbst-Lernen ermöglichen wollen.

Das besondere Etwas

Im Kern geht es darum, WIE „gute“ Zusammenarbeit gelingt. Vieles hat mit Kommunikation zu tun und damit, auf welche Weise diese (als interne oder externe Unterstützung) Engagement und Zusammenarbeit ermöglicht und fördert.

Nein, mit WIE meine ich nicht die vielen methodischen Hinweise und Tools, die die Autoren hier für verschiedene Fragestellungen in Einzel- und Gruppensettings zusammengetragen haben. Zweifellos ein hilfreiches Nachschlagewerk mit vielen methodischen Ideen, Techniken, Apps und Tipps.

Ich meine vielmehr die (Wert-)Haltungen und Grundprinzipien (modern auch Mindset genannt), in die alle vorgestellten Methoden, moderierenden Hinweise und Fragen eingebettet sind. Sie schimmern durch bei Gestalt und Abfolge der Tools, klingen mit in der vorgestellten Kommunikation, der Wortwahl und den Formulierungen. So bekommen die dargestellte Zutaten ihren ganz eigenen Geschmack: beeindruckend „bekömmlich“.

Wer hat es nicht schon erlebt, wie schnell Selbstvertrauen und Engagement zusammenfallen, wenn z.B. die übertragene Aufgabe mit skeptischem Blick und abfälligen Bemerkungen gewürzt wird und ganz klar durchscheint, was der Sprecher eigentlich denkt…
Haltungen wirken eben auf´s Handeln!

Weitere Highlights für Managementsysteme

Die Autoren Veronika Kotrba und Ralph Miarka beziehen sich auf die Arbeit mit agilen Teams – vorrangig im Kontext des agilen Projektmanagements (SCRUM). Dabei arbeiten sie konsequent auf Augenhöhe. Schließlich gilt es, Selbstorganisation und Eigenverantwortung zu fördern. Selbstorganisation steht und fällt mit dem Selbstvertrauen der Kollegen. Denn auch wenn ich ein Ziel gut finde und erreichen kann und will, muss ich mir zutrauen, den Weg zu meistern. Die Angst vorm Scheitern steckt oft tief….Kaum ein methodischer Ansatz repräsentiert den Aspekt der Ermutigung und des Vertrauens in das Gegenüber mehr als der lösungsfokussierte. Lösungsfokussiertes Arbeiten lenkt den Blick nach vorn, baut auf die eigenen Stärken und das bisher Gelungene. Alles ist möglich und alles Notwendige ist schon da. Das stärkt und motiviert!

Und das ist den Managementsystemen ebenfalls nicht gleichgültig und den Normen nicht neu. Auch hier ist das ermutigende und zutrauende Einbeziehen der Kolleg*innen ein Schlüssel zum Erfolg. (Einige Normpassagen dazu unten unter: Links und Verweise)

Hier einige Appetithappen:

Sollen Managementsysteme „funktionieren“, muss der Weg zum Ziel (Qualität, Umweltschutz, Arbeits- oder Informationssicherheit) von allen verstanden und mitgetragen werden. Das geht nur gemeinsam.

  • Gerade als Fachexperte muss ich dabei konsequent deutlich machen, welche Rolle ich dabei spiele:
    Übernehme ich z.B. aus Hilfsbereitschaft oder weil es erwartet wird, Aufgaben, die organisatorisch/disziplinarisch in der Verantwortung der Linie liegen, verlasse ich die Rolle. Ich nehme nicht nur Arbeit ab, sondern auch Gestaltungs- und Lernraum und die Verantwortung darüber. Die Gefahr: Taten zählen mehr als Worte (z.B. in Funktionsbeschreibungen) und die Gewöhnung geht schnell!
    Die vielen Beispiele aus der Teamarbeit und die Reflexion der Coach-Rolle am Ende des Buches helfen dabei, hier klarer zu werden.
  • Die wohlmeinende Anmaßung von „Besser-Wissern“ wirkt insbesondere in der Kommunikation. Als Fachberater formulieren wir keine Fragen und Hypothesen, sondern Fakten und Lösungen. Schließlich werden wir dafür bezahlt. Solche VerhaltensMuster laden eben nicht zum Mit-Denken ein. Allerdings lassen sie sich nicht von heute auf morgen ändern. Deshalb sind die Beispiele für Anmoderationen, Hilfestellungen und vor allem Fragen eine gute Stütze dabei, neue Verhaltens- und Kommunikationsstile einzuüben.
  • Eine besonders gute Übung: Die Haltung des konsequenten Nicht-Wissens für sich auszuprobieren (zum Beispiel bei der Frage: „Wie genau setzen wir diese Forderung aus der Norm um?“, um den mitwirkenden Akteuren Freiraum und Vertrauen zum Finden passender Lösungen zu signalisieren.

Anwendungstipp: Den eigenen Mindset reflektieren

Bewusstes Lesen ermöglicht Ihnen zu hinterfragen, mit welchen eigenen Mindsets Sie unterwegs sind. Der innere Kompass lässt Wert-Haltung spürbar, Prinzipien greifbar werden, die im Alltagstrott oft unhinterfragt übernommen sind. Machen ja alle so…

Mich jedenfalls hat das Buch daran erinnert, in all der Beratung das Coaching* nicht zu vergessen und mir vor jedem Kundengespräch meine innere Haltung bewusst zu machen.
*Im Coaching hat der Coach die Rolle des unwissenden Begleiters, der dem Coachee durch gute Fragen und methodische Impulse hilft, eigene (attraktive, passende und machbare) Lösungen zu finden. Er moderiert die Entscheidungsfindung – mischt sich inhaltlich allerdings nicht ein.

Vielleicht stellen Sie beim Lesen fest, dass Sie Vieles schon wissen und machen? Wunderbar!
Vielleicht liegt Ihnen die hier dargestellte und vorgelebte „Denke“? Ihnen fehlen allerdings Ansätze und Arbeitsweisen, diese auch zu leben? Dann lassen Sie sich inspirieren!

Was sagen die Normen?

Mindsets sind übrigens Teil der Kultur – die als interner Kontext in Managementsystemen seit den letzten Revisionen der zugehörigen Normen (9001, 14001, 45001) durchaus eine wesentliche Rolle spielt. Und Kultur wird gemeinsam geschaffen…

Zudem finden sich schon seit vielen Jahren Hinweise auf gute Führung und Zusammenarbeit – insbesondere der Aspekt der Einbeziehung und Beteiligung der Mitarbeitenden – in den Normen…
Hier ein paar interessante Passagen: ISO 9000:2015, 2.3.3, ISO 9004:2018, 9.2.2 + 11.3.3

Links und Verweise

Ein extremes, aber eingängiges Durchdenk-Modell zu Werten und Haltungen ist die X-Y-Theorie von McGregor zum Menschenbild von Führungskräften

Hier (oder auch in meinem Buch ;-)) eine schöne Zusammenfassung zum Nachlesen:
https://wpgs.de/fachtexte/fuehrung-von-mitarbeitern/x-y-theorie-theorie-x-und-y-nach-mcgregor/


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