„Wie bringe ich meinen Chef dazu, unser Managementsystem als einziges System zu nutzen, um das Unternehmen zu steuern?“

Diese Frage höre ich nicht zum ersten Mal! Erfreulicherweise erkennen immer mehr Beauftragte, welches Potential hier unerschlossen ist…
Für junge Unternehmen oder Startups, die gerade einsteigen in´s Universum der Managementsysteme, liegt die Frage auf der Hand und bedeutet eine echte Chance.
Die Fragestellerin allerdings – eine engagierte und aufgeschlossene QM-Beauftragte – begleitet das interne Managementsystem schon über Jahre. Ihr geht es wie vielen: Sie schaut täglich dabei zu, wie in ihrem Unternehmen ein Managementsystem nach dem anderen errichtet wird – das Management in den oberen Etagen aber nach wie vor seine eigene Suppe kocht. Und eigene Zutaten verwendet…

Muss das sein?

Produktive Zusammenarbeit mit den internen „Chef-Köchen“ sieht anders aus!
Die folgenden vier Hinweise helfen, Anschluss zu finden.

1. „Extra“ als Anbau – ein teurer Irrtum

Viele Chefs glauben nach wie vor, ein Managementsystem müsse „extra“ laufen, passe nicht in bestehende Strukturen… Ein Fehlschluss!

Schließlich erfinden die Normen für Managementsysteme nichts Neues: Übergeordnete Leitlinien, strategische Ausrichtungen, Planung mit Zielen und verbindliche Routinen: All das gehört zur „Grundausstattung“ jeder Unternehmensführung und dürfte auf die eine oder andere Weise am bisherigen Erfolg des Unternehmens beteiligt gewesen sein.

Bisher habe ich keine Auditoren erlebt, die einer Geschäftsführung übel nahmen, Normziele (Qualität, Umweltschutz, Arbeitssicherheit+Gesundheitsschutz) in das bestehende und bewährte Instrumentarium der Unternehmensführung zu integrieren. Im Gegenteil zeigten sich die jeweiligen Begutachter angetan, wenn die jeweiligen Themen auch „oben“ gewürdigt und vertreten wurden. Schliesslich wirken Führungsspitzen und ihr Instrumentarium  wie „Leuchttürme“…

2. Allergische Reaktionen? – Geschäftsführer sind auch nur Menschen…

Das WISSEN um die Möglichkeiten reicht nicht allein. Es braucht auch das WOLLEN. Was also ist es genau, dass die Zutaten der Normen so unattraktiv macht? So, dass eine Geschäftsführung sie lieber ignoriert? Und wie lässt sich dieses „Allergiepotential“ in´s Gegenteil verkehren?

Der Anstoß zu einem Managementsystem kommt selten aus der obersten Leitungsebene! Oft sind es langjährige oder potentielle Kunden oder die Konkurrenz, die zur Entwicklung drängen. Auch Konzernspitzen oder engagierte Stabstellen können mit dem Verweis auf Rechtssicherheit den Ausschlag geben.

Allen Impulsen ist gemeinsam: Sie kommen – aus Sicht der oberen Etage – von außen und werden quasi „aufgezwungen“. Ein Makel, der den eigentlichen Sinn oft vollständig überschattet. Das blockiert, denn unser ureigenstes Antriebssystem basiert auf Autonomie und Entscheidungsfreiheit – nicht nur bei hauptberuflichen Entscheidern. Selbstständig denken, sinnvolle Lösungen finden, die eigene Kompetenz und Erfolge feiern – hier nehmen wir Fahrt auf. „Command & Control“ allerdings entziehen den Saft. Geschäftsführer sind auch nur Menschen…

Hier gilt es „Brücken zu bauen“. Wo sind die Probleme oder Ziele, bei denen ein Managementsystem helfen kann? Wo ist der Nutzen, die Belohnung – in der „Währung“ der obersten Führung?

3. Alles nur Standard? – Unerschlossene Freiräume…

Womit wir schon beim nächsten Allergieauslöser wären, der ebenfalls „typisch Mensch“ ist. In der heutigen Zeit, in der alles schnell, unübersichtlich und verunsichernd ist, sind wir darauf angewiesen, unsere Kräfte gut einzuteilen. Auch unser Gehirn kann das gut und bevor es „neu“ durchdenkt und bewertet, greift es lieber zu bekannten Meinungen und Haltungen.

Ein Beispiel für solch eine gängige Haltung: „Die Norm schreibt alles vor und fest!“. Wie oben beschrieben, eine effektive Bremse für Eigeninitiative und Engagement…
Aber auch Normen entwickeln sich weiter! Die kürzlich vollzogenen Revisionen der ISO 9001 und 14001 bieten deutlich mehr Freiräume. Sie geben Leitplanken vor, die im Sinne des Unternehmens gefüllt und platziert werden können – zunehmend ohne die verhasste Dokumentation und Bürokratie.

Warum also diese Freiräume nicht konstruktiv nutzen? In meiner Ausbildung zur Lead Auditorin ISO 14001 staunte ich nicht schlecht, wie flexibel der genormte „Rahmen“ tatsächlich ist und dass er im Sinne der erfolgreichen Zielverfolgung immer Raum für eigene (auch methodische) Ideen lassen muss.
Funktionieren diese Ideen, argumentiert das Ergebnis für sich selbst!

4. Linie und Stab – im Tandem erfolgreich

Manager haben immer viel zu tun – nicht nur als „Leuchtturm“ und „Chefkoch“ 😉
Sie haben sicher keine Zeit, Normen und Regelwerke zu lesen und zu interpretieren.

Deshalb brauchen sie fachliche Unterstützung und Zusammenarbeit – üblicherweise bereitgestellt als Experten-Stab zur Linie. Aber auch hier wird oft schlicht delegiert: „Machen Sie mal ein Managementsystem, eine Anweisung, eine Review….!“ – am besten noch mit dem Zusatz: „…und kommen Sie nur zu mir, wenn´s Probleme gibt!“
Diese „Führungs-Routine“ führt in die Sackgasse!
Die Kombination an Fach- und Führungsqualitäten im Stab-Linien-Menü kann sich nur entfalten, wenn sie den Raum dazu bekommt!

Diesen einzufordern und eine konstruktive Zusammenarbeit zu etablieren, braucht Mut und Überzeugungskraft!

Die obige QM-Beauftragte hat dies erkannt: Fehlen die Zutaten aus der obersten Führungsetage, muss diese die Suppe trotzdem mit auslöffeln. Und eins ist sicher: Die Freiräume der Normen werden in jedem Fall gefüllt – im Zweifel mit Zutaten externer Berater und Auditoren …

Sie jedenfalls will dranbleiben…

Links & Verweise

Quelle Fotos:
pixabay (cut-1123725, mushroom-2470942)