Für Akteure im Managementsystem gehören Regeln zum Alltag. Während „immer mehr“ schnell zur ÜBERregelung führen, nimmt ihre Akzeptanz und Wirksamkeit immer mehr ab.  Sie halten vom Wesentlichen ab –  nervend! Natürlich hat das auch mit der Komplexität und Unübersichtlichkeit des internen Navigationssystems zu tun. Gesetzgeber und Normen-Gremien sind leider schwer zu bremsen. Sie wollen auf „Nummer Sicher“ gehen.

Allerdings gibt es andere „Schrauben“, die helfen könnten, alltagsfremden Verhaltensvorschriften den Weg zu ebnen. Und die haben weniger mit dem WAS und WIEVIEL zu tun. Es ist vielmehr das WIE, wie folgende Twitter-Diskussion mit einem managementsystem-fernen, ganz normalen „Internen“ deutlich macht…

 „Wider die Überregelung des Miteinander“

…ein Satz, der mich unweigerlich neugierig macht. Er überschreibt den Blog-Artikel eines sehr inspirierenden Kollegen: dem „agilen Evangelisten“ Marcus Raitner (@marcusraitner). Sein Tweet dazu wird von mir also unweigerlich angeklickt und daraus entwickelt sich ein kleiner Twitter-Austausch. Die kurze Diskussion erinnert mich an ein Denk-Modell, das ich aus meiner Coaching-Ausbildung kenne und das auch gern als Baustein in Führungskräfte-Qualifizierungen genutzt wird…

Hier der genaue Verlauf:

Zunächst muss ich seinen Beitrag natürlich an mein Twitter-Netzwerk weiterleiten (Retweet) mit der Frage:

Wo fängt „#Überregelung“ an – gerade bei sicherheitsrelevanten Themen? Risiko-Navigation zwischen fürsorglicher Erinnerungshilfe und Bevormundung? Spannende Frage….

Wenn „bockig“ die Bühne erstürmt – ein „Zustand“ als Modell

Ja, die Darreichungsform sicherheitsrelevanter Regeln ist ein sehr „bewegendes“ Thema. Das rebellische Kind, das Marcus hier anspricht, reagiert oft überraschend schnell. Es entstammt dem Modell der „Ich-Zustände“ aus der Transaktionsanalyse (TA).

Mithilfe dieses Modells lässt sich erklären, warum (auch gutgemeinte) Hinweise, Regeln und Verhaltensrichtlinien in unserem Inneren schnell mal auf ein „inneres Kind“ treffen. Je nachdem, was wir als Kind erleben und wie wir dabei begleitet werden, bilden wir unbewusste Reaktionsmuster aus, die mit dem Erwachsenwerden wirksam bleiben: Wir gehen quasi „automatisch“ in den Widerstand.

Anders ausgedrückt: Der oder die Angesprochene fühlt sich „bevormundet“ und schaltet ohne nachzudenken auf „bockig“…. In diesem Modus ist gelassenes Aufnehmen und Abwägen kaum möglich – Vernunft hat keine Chance.
Kommt mir irgendwie bekannt vor 😉

 

Regeln „bekömmlich“ darreichen

Wie lassen sich dann die oben angesprochenen Sicherheitsregeln „darreichen“, so dass sie keine Heerscharen rebellischer Kinder produzieren?

Nicht umsonst basieren moderne Führungskonzepte auf dem Prinzip der Augenhöhe! Mit dieser Kommunikationshaltung betrachte ich mein Gegenüber nicht als Kind, das geschützt oder bevormundet werden muss, sondern als erwachsenen Menschen. Deshalb ist mir bewusst, dass er oder sie sowohl Maßregelungen wie auch gutgemeinte Ratschläge nicht so ohne weiteres annimmt.

Erwachsene Menschen wollen auch so behandelt werden!

Was bedeutet das für Regelungen?

Zwei magische Fragen sind hier relevant:

  1. Als Erwachsener wollen wir gern wissen, wozu etwas gut ist. Welche Vorteile hätte ein geändertes Verhalten oder welche „Schmerzen“ und Missstände minimiert es ….(Sinn und Nutzen)?
    Warum? Hier sind wir Menschen motivationspsychologisch recht einfach „geschaltet“: Ohne erkennbare „Belohnung“ agieren wir tendenziell eher energieeffizient! Also: ungern bis gar nicht.
    Und entscheiden – besonders für sich selbst – tun Erwachsene auch sehr gern! Schließlich bringt Erwachsen-Sein genau diese wunderbare Freiheit mit sich, die selbstbestimmtes Handeln gewährt und damit wirksame Antriebskräfte freisetzt (aus der Motivationspsychologie: Deci & Ryan, s.u.).
  2. Ein weitere Aspekt ist die Frage: Schaffe ich das? Habe ich alles, was ich brauche (Kenntnisse, Erfahrung, Ausrüstung, Zeit, Unterstützung…)?  Fällt die Einschätzung kritisch aus, fühlen wir uns leicht überfordert – mit nicht unerheblichen Folgen für Denken, Handeln und Gesundheit ..

Beim Gehen auf der Treppe (und der Nutzung des Handlaufes), die Marcus anspricht, spielt Letzteres sicher eine untergeordnete Rolle…. 😉

Was bedeutet das für die Akzeptanz?

Einerlei ob zum Umwelt- und Gesundheitsschutz, Qualität oder Arbeitssicherheit:

Hin-, An- und Unterweisung ohne „Erklärung“ kann kaum als „Belohnung“ gelten.
Auch der Verweis auf den Gesetzgeber oder eine Norm erzeugt schnell Widerstand. Warum?

  • Zunächst katapultiert der Hin- und Anweisende den Gesetzgeber in der Position des Eltern-Ichs – mit den oben aufgezeigten Effekten…
  • Außerdem entsteht schnell der Eindruck, dass der oder die Weisende die jeweilige Regelung für unangemessen hält – frei nach dem Motto: „ Typisch Gesetzgeber…Ich würde so etwas nie aus eigenem Antrieb vorgeben …“

Die zwei Seiten der Medaille

Natürlich kann auch der Angewiesene, wenn er bei sich das „Muster“ erkennt, reagieren.  Marcus Raitner hat in unserem kleinen Twitter-Austausch einen Weg gefunden:

Ich stelle mir eine solche, „erwachsene“  Reaktion z.B. so vor: „Ich würde gern verstehen, warum das eine sinnvolle Regelung für uns ist. Kannst du mir das erklären?“ Schließlich ist Lernen keine Schande…

Für den vieldiskutierten Handlauf beim Treppensteigen (hier mein BLOG-Artikel zu diesem Thema) beispielsweise sprechen beispielsweise nicht nur die hohen Unfallzahlen, sondern das Wissen um unser anfälliges menschliches „Betriebssystem“ und echte Sorge um den Kollegen. Unglücklicherweise ist unser Denkapparat nicht multitasking-fähig. Konzentriertes „Aufpassen“  wird durch Ablenkung, z.B. durch das Handy, schnell unmöglich gemacht und kann auf steilen Treppen durchaus riskant sein …

Wenn sich also aus solch einer Situation ein Gespräch, ein Austausch oder eine gemeinsame Risikobetrachtung entwickelt, ist die „Regel“ und der Verweis darauf im besten Falle überflüssig.
Aber zugegeben: Manchmal tut es einfach gut, Kind zu sein….. 😉 Hier geht´s zur Unterhaltung auf Twitter

Kurze Videos zum Modell der „Ich-Zustände“ 
1. https://www.youtube.com/watch?v=9eouZam9ntU

2. https://www.youtube.com/watch?v=c7uLdB8rOXI

und hier ein Top-Coach dazu, was das mit Führung zu tun hat (https://vimeo.com/199177461)

Schönes Video  zum Thema Ablenkung von VW

 

Deci, Edward L.; Ryan, Richard M. (1993): „Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre
Bedeutung in der Pädagogik“. In: Zeitschrift für Pädagogik ZfPäd 1993, Nr. 2.

 

gute Führung und Zusammenarbeit im ManagementsystemÜbrigens:

Mehr Details und Hintergrundwissen zu Motivation und menschliches „Betriebssystem“  finden sich speziell für „Managementsysteme“ hier.
Schauen Sie doch mal rein 😉

(Link zum pdf-Auszug auf der Seite des Verlages)

 

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